Die Wahrheit (von Albert Knapp)

31.07.2012 22:16

 

Die Wahrheit

Wahrheit, du, die Alles richtet, 
Trug und Heucheley vernichtet, 
O wie schwer wirst du erfaßt! 
Uns zum Leben willst, du leiten, 
Aber wir verschmäh'n, bestreiten 
Dich, als einen schlimmen Gast.

Kein Gewerb' ist mehr gestiegen, 
Als die Kunst, dich anzulügen, 
Dich zu drängen und zu schmäh'; 
O wir Thoren! tapfre Krieger 
Nennen wir uns oft und Sieger, 
Wenn wir uns in Lüge bläh'n.

Sünd' erkennen und bekennen, 
Und von eignem Thun und Kennen 
In des Mittlers Arme flieh'n, — 
Das ist deine Geistersprache, 
Eh' zum großen Tag der Rache 
Donnerwolken niederzieh'n.

Wer ist, der dich sucht und übet, 
Und nicht Jesu Wunden liebet? — 
Niemand in der weiten Welt! 
Hier entscheidet sich's am Ende, 
Wer in Seine Gotteshände, 
Oder in die Flamme fällt.

Mit erschlossnen Herzensfalten 
Deinem Strahle festzuhalten, 
Wenn er prüfet, straft und glüht, 
Das ist Anfang neuer Zeiten, 
Draus ein Lenz voll Seligkeiten 
Dem gebeugten Geist erblüht.

Möcht' ich nicht von hinnen scheiden, 
Eh du meiner Sünde Leiden 
Ganz zerstört und allen Bann; 
Bis ich in die Klarheit tauge, 
Und des Mittlers Flammenauge 
Gnädig auf mir ruhen kann!

Albert Knapp